Er ist in Komödien, in ernsteren Filmen oder im Theater zu sehen. Gestatten, Johann von Bülow (42). Verwandt ist er mit Vicco von Bülow, doch das ist manchmal eher hinderlich. Wir trafen den Schauspieler in seiner Wahlheimat Berlin.
KURIER: Herr von Bülow, im „Labyrinth des Schweigens“ kämpft ein junger Staatsanwalt in den 1950er Jahren für Wahrheit und den ersten Auschwitz-Prozess. Irgendwie ist es doch unvorstellbar, dass damals vieles vertuscht werden sollte?
Johann von Bülow: 1957 herrschte in der Bundesrepublik eine Stimmung des Wiederaufbaus und des Wohlstandes. Das Nachkriegsdeutschland wollte nach vorne blicken. Leider wollten wohl nur wenige wahrhaben, dass die alte Zeit des Nationalsozialismus vielerorts unter der Oberfläche noch gärte und die alten Seilschaften noch funktionierten. Außerdem wussten viele zwölf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht, was in Auschwitz passiert ist. Selbst 1960 gab es Menschen in Deutschland, die nie davon gehört hatten. Viele haben es aber auch verdrängt, vergessen und vertuscht.
Die Geschichte kommt ins Rollen, als sich der Staatsanwalt mit dem Fall eines Auschwitz-Überlebenden beschäftigt, der seinen Peiniger wiedererkannt hatte ...
Ja, und diesem jungen Staatsanwalt wird schmerzhaft bewusst, dass es niemand wahrhaben möchte. Nur der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer unterstützt ihn. Je mehr er sich mit der brisanten Materie beschäftigt, umso mehr fixiert er sich auf die Suche nach Wahrheit, verliert sich dabei in einem Netz aus Schuld und Lügen.
Sie spielen einen der Staatsanwälte, der gerne alles unter den Teppich kehren wollte ...
Ja, anfangs. Die Geschichten über Auschwitz hält er für Propaganda der Siegermächte. Er möchte sich nicht die Finger an einem so strittigen Thema verbrennen und lieber weiter Dienst nach Vorschrift schieben. Als sein Chef ihn aber zur Zusammenarbeit mit dem jungen Kollegen verdonnert, vertieft er sich, angesichts der Gräuel, die die beiden aufdecken, immer weiter in die Aufklärung dieses Verbrechens. Diese Staatsanwälte gab es auch in der Wirklichkeit und einer der Gründe, dass es so etwas wie die 68er gegeben hat, war sicher das Klima des Schweigens über die Nazizeit, gegen das diese Männer vorgegangen sind.
Haben Sie daheim über das Dritte Reich gesprochen?
Meine beiden Großväter waren schon tot, als ich klein war. Sie haben Hitler miterlebt. Ich kenne es aber aus vielen Familien, dass niemand gerne über diese Zeit redet. Und das gilt bis heute.
Wann haben Sie sich das erste Mal damit beschäftigt?
Mich hat Geschichte schon als Kind interessiert. In der Schule war es mein Lieblingsfach. Ich habe alles verschlungen, was mit Nazi-Deutschland zu tun hatte. Mich hat die Frage sehr beschäftigt, wie das geschehen konnte. Vor allem, dass es „ganz normale Menschen“ waren, die die Gräueltaten begangen haben.
Was spielen Sie lieber – solche Stoffe oder Komödien wie „Der Minister“?
Eine Komödie, die nicht lustig rüberkommt, kann eine wahre Quälerei sein. Wenn sie gelingt, ist es ein Vergnügen, sie zu spielen. Leider gibt es nicht so viele komische Stoffe in Deutschland. „Der Minister“ war für zahlreiche Preise vorgeschlagen, aber wir haben keinen einzigen gewonnen. In Deutschland wird im Zweifel dann doch das anspruchsvolle, intellektuell angehauchte Drama prämiert. Dabei denke ich mir immer, es wäre doch eine tolle Sache, wenn wir eine weltweit erfolgreiche Komödie drehen.
So wie „Mord mit Aussicht“ ...
Diese Serie ist schon eine Sonderpflanze, in der sich seltsame Gewächse tummeln. Sie ist ein Segen fürs deutsche Fernsehen. Caroline Peters, Bjarne Mädel, Petra Kleinert, Meike Droste sind nicht die typischen Serien-Darsteller. Da konnte ich nicht Nein sagen, mich als Bürgermeister auch noch unter dieses Eifel-Völkchen zu mischen (lacht).
Wie oft werden Sie eigentlich auf Ihren berühmten Verwandten, Vicco von Bülow, angesprochen?
Natürlich immer wieder. Manchmal war der Name eher hinderlich, immer wieder kam die Frage, ob ich nicht mit ihm verwandt sei. Vielleicht hätte ich es auf der Schauspielschule auch leichter gehabt, wenn ich das „von“ abgelegt hätte. Aber das wollte ich aus Trotz nicht.
Sind Sie ihm oft begegnet?
Einmal auf einem Familienfest. Da war ich zehn Jahre alt. Wir sind eine sehr verzweigte Familie, in ganz Deutschland verteilt. Aber wenn man sich mal sieht, duzt man sich (lacht). Mich hat aber sehr gerührt, dass Vicco von Bülow später Anteil an mir und meinem Werdegang genommen hat. Er rief mich mal an, als er mich im Fernsehen gesehen hat. Das war wie ein Ritterschlag. Wenn er es schlimm gefunden hätte, hätte er sich auch nicht gemeldet.
Und vor kurzem haben Sie aus seinen Kolumnen gelesen, die er als Loriot in den 1950er Jahren in der „Quick“ veröffentlicht hat ...
Seine Tochter Susanne hat mich dazu ermutigt. Sie hat gerade „Der ganz offene Brief“ (Anm. der Red.: Hoffmann und Campe, 280 Seiten, 20 Euro) herausgegeben. Anfangs traute ich es mir gar nicht zu, weil die Texte einen ganz eigenen Rhythmus haben. Sie musste mich regelrecht hintragen, damit ich es mache.
Wie wächst man als Spross eines mecklenburgischen Adelsgeschlechts auf?
Das ist viel unspektakulärer, als man es sich vorstellt. In einem Reihenhaus. Ich kann mit keinem Herrenhaus und Kiesauffahrt dienen.
Wo ist Ihre Heimat?
Zurzeit in Berlin. Ich bin aber auch gerne in Hamburg und spiele dort am St.Pauli-Theater. Das ist ein totaler Luxus für mich. Am 24. November hat dort mein Stück „Konstellationen“ Premiere, für das ich gerade probe.
Wann wussten Sie, dass Sie Schauspieler werden wollten?
Eigentlich wollte ich Diplomat werden. Ich hatte einen Onkel, der vor der Wende in Ostberlin in der Ständigen Vertretung gearbeitet hat. Es hat mich sehr beeindruckt, was der gemacht hat und was er für ein Leben geführt hat.
Dann kam es aber doch anders. Wie entscheiden Sie heute, was Sie spielen wollen oder nicht?
Oft aus dem Bauch heraus. Ich vertraue meistens mir und meinen Fähigkeiten. Es braucht natürlich ein Stück Kraft. Mein Vater hat mir anfangs gesagt, mach doch lieber einen Buchhalterkurs. Und wenn ich heute nach 20 Jahren im Beruf zurückblicke, kommt es mir manchmal vor, als hätte ich auf einem dünnen Drahtseil über einem tiefen Abgrund balanciert. Als Anfänger sieht man nicht, wie leicht man scheitern kann.